(nach Luise Reddemann)
Nicht alles ist ein Trauma. Unter einer traumatischen Erfahrung versteht man, dass die Situation überwältigend ist und dazu führt, dass man sich extrem ohnmächtig und hilflos fühlt. Außerdem erlebt man Gefühle von Panik, Todesangst, Ekel.
Gesunde Menschen reagieren auf solche Situationen mit einem (Auf-)Schrei.
Alle Menschen brauchen eine gewisse Zeit, um mit solchen Erfahrungen fertig zu werden. Sie setzen sich längere Zeit damit auseinander, indem sie oft daran denken und von Gefühlen, die damit im Zusammenhang stehen, immer wieder eingeholt werden. Viele fühlen sich über längere Zeit verwirrt und geradezu desorientiert. Andererseits gibt es auch immer wieder Phasen des Dichtmachens, wo man sich ablenken möchte und von allem nichts mehr wissen will.
Dies alles ist normal und dient der Verarbeitung. „Normal“ heißt, dass solche Reaktionen alle Menschen aufweisen, die etwas sehr Bedrohliches erleben.
Unter ungünstigen Umständen (z. B. wenn der Mensch, dem das Trauma widerfährt, noch sehr jung und alleingelassen ist) kann eine Traumaverarbeitung nicht stattfinden.
Besonders belastend ist, wenn die Traumatisierungen sich wiederholen, wie z.B. bei Gewalt in der Familie oder Folter. Einmalige Traumatisierungen, sog. Monotraumen (z. B. ein Autounfall oder der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen) können, sofern vor dem Trauma eine gute psychische Stabilität bestand, in der Regel besser verarbeitet werden.
Fast alle Menschen schützen sich während einer traumatischen Erfahrung mittels eines Mechanismus, den man Dissoziation nennt. Verschiedene Bereiche des Lebens werden dabei weit auseinander gehalten. So kann es vorkommen, dass jemand sagt: ‚Ich habe das beobachtet, aber das war so ein unwirkliches Gefühl, als gesche das gar nicht mir.’ Dabei werden also die Gefühle dissoziiert.
Dieser Schutzmechanismus kann später zum Problem werden, da er eine Tendenz hat, sich rasch zu verselbständigen und zu generalisieren.
Dann dissoziieren Menschen auch, wenn irgendein Detail sie an das Geschehene erinnert. Wir wissen heute, dass sich bei und nach einem Trauma im Gehirn Veränderungen vollziehen, die es unmöglich machen, Alltagsstress gut zu verarbeiten. Schon kleiner Stress kann dann zu einer Riesenbelastung werden. Es können sich in der Folge vielfältige Störungen entwickeln, nicht nur die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), sondern auch depressive Störungen, Suchterkrankungen, Angststörungen und vieles andere mehr mit vielerlei möglichen Symptomen (z.B. Schlafstörungen, Albträume, Grübeln).
Eine Traumatherapie muß nicht in jedem Fall sein, kann aber helfen. Häufig ist sie notwendig, wenn Menschen das deutliche Gefühl haben, dass sie mit den Belastungen auch nach gewisser Zeit nicht alleine fertig werden.
Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, die Notwendigkeit einer Therapie mit einem Traumatherapeuten zu besprechen.